1
Hör zu! Auf Schtrümpfen kommt die Sonne rein.
Piano piano.
Du hörst sie, wie sie warm im Flur,
lentamente così,
deine verfilzten Schmerzen vor sich hin schiebt.
Dann ist es ganz still,
so still dass du in deinen Innenohren spürst
wie die Hammer über den Ambossen nachdenken.
Ich wende mich an eines deiner Ohren,
lege meine Hände wie Muschel drauf,
auf dieses Weichtier und da hörst du...
Nicht das Meer, pas la mer, aber... aber...
Du bist ein alter Kirschbaum und hast Angst
ich sei nicht nur eine Streicherin.
Aber auch eine Sägerin
die in diesem weißen Winter um dich herumschleicht.
Du fürchtest also diese singende Säge.
Und letzten Endes auch deinen entgültigen Fall.
Das niederschlagen im Schneewirbel.
Das zerbröckeln von deinen tausenden
und abertausenden bröcklichen schwarzen Fingerchen.
Fürchte nicht! Lass mich dein Ohr berühren, auf die leichteste Weise.
Lascia mi!
Nur die Konturen, aber ganz kniffelig...
Und warte, warte mit dem Schnurren bis ich ausgeflüstert bin.
.......
Eine Sekunde noch...
Nun, avanti!
2
Auf einmal wird das Flüstern flüssig.
Es fängt an mit zwei, drei Tropfen Sommerregen auf deine Stirn.
Dann noch zwei.
Die Stirn runzelt und wird Flußbett.
Das Himmelwasser und welche Schweißtropfen vermischen sich.
Alles wird Gewässer, rieselt, fließt und stromt wohltuend hinunter,
die Nase entlang, und überflutet die Gedanken
mit Parfummustern von schwitzenden Mauern, dämpfende Gehwegplatten
und schwer atmenden Gebüsch.
Die Sonne platscht gegen die Wände.
Da: eine dunkle Figur, agitiert, mit Hut, Regenmantel, in hackendem Schritt.
Ein weisses Gesicht in einem Regenschatten.
Aufsprühende Pfütze.
Ihm hinterher gerannt? Um die Ecke, in eine schwarzbeschattete Gasse?
3
Was ist ein Leib?
Ein Cello ist ein Leib.
Ein Leib mit einer Seele.
Wenn du dieses Leib berührst,
fühlst du seine Wärme,
seine sanfte, aber auch leicht durchfurchte Haut.
Deine Hand kann seine Haut streicheln,
ihre Rundungen folgen,
so wie man mit Fingerspitzengefühl
sein Name auf die Hüfte und das Bäuchlein
seines Geliebten schreibt.
In Zierbuchstaben.
Wenn du aber das Seelchen meines Cellos
spüren möchtest, dann muß ich ihn halt
mit seinem eigenen Bogen anstreifen.
Gleich fängt er dann an zu bibbern.
Wie ein Hundchen dem man ein Ballspiel
in Aussicht stellt.
Fühl bitte.
Fühl bitte mal
wie dieses Leib dir sein Innerstes offenbaren will.
Wie es mit dir mitschwingen möchte.
Wie es tastet nach deine sympathische Resonanz.
Und schließlich wie mein Cello
dir mein eigenes bibbern übermittelt.
4
Aber jetzt, mein Lieber...
Du bist schon eine Weile blind.
Du siehst jetzt nur mit deinen Ohren und Fingern und Nase.
Stell dich vor:
ich liege auf meinem Rücken,
hoch im Hoi auf einem Wagen.
Das Hoi kitzelt mich überall
und duftet nach wilden Kräutern.
Die schreiendgelbe Sonne wirft sich zügellos ins Laub
und befleckt mich durch die Löcher
mit dicken, heißen Tropfen Licht.
Der Wagen fährt im Schritt unter Sommerbaumkronen.
Und eine leichte Brise atmet mich an
mit dem warmen Geruch vom dampfenden Pferd.
Das Pferd ist jung und froh.
Seine Haut ist aus feinstem Leder,
sein Schweiß ist frisch und perlend.
Mein Leben duftet nach einem geschenkten Gaul.
Mir wird ein bischen flatterig im Magen.
Ich koste die Musik der Erde
sowie ich auch ihr Aroma fühlen kann.
Genauso sehe ich sie mit allen Sinnen.
Aber du?
Wilst du nicht endlich mal was sehen?
Hast du inzwischen nicht die Nase voll von dieser Augenbinde?
Möchtest du sie nicht sehr gerne abnehmen?
Glaubst du das du jetzt auch den Mut hast mich an zu schauen?
Traust du dich?